Umgeschwenkt
Ganz ähnlich war es bei ihrem Kommilitonen Felix Fleckenstein. Als „gut fränkisch katholisch sozialisiert“ bezeichnet sich der junge Mann aus Laufach. Zunächst hatte Felix sein Studium mit dem Ziel Lehramt begonnen, doch weil „wissenschaftliche Theologie in der Luft hängt, wenn sie nicht gelebt wird“, schwenkte er auf Pastoralreferent um. „Als Lehrer werde ich durch Lehrpläne und Notendruck eingeengt. Als Pastoralreferent habe ich noch mehr Möglichkeiten, um den Glauben in die Welt zu tragen und zu zeigen, warum unser Glaube so geil ist.“ An einer Institution, die seit 2000 Jahren besteht, müsse was dran sein, meint Felix. Und das umso mehr, als es hier um den Menschen, die Probleme des Menschseins und existenzielle Fragen nach Sinn und Ziel gehe. Auch über den Beruf des Priesters hat der junge Mann nachgedacht – und sich dagegen entschieden. „Mit der Priesterweihe würde ich viele Türen zumachen, die ich nicht zumachen will“, sagt er. Der Weg des Pastoralreferenten sei dagegen „nicht ganz so eng gestrickt und bietet doch alle Möglichkeiten, vollends für den Glauben zu brennen“. Ein klares Ziel vor Augen hat auch Leandra Büttner. Sie erinnert sich noch genau an den Tag, als eine neue Pastoralreferentin in ihre Gemeinde kam. „Sie hat vieles verändert, Leute motiviert und frischen Wind hineingebracht.“ Die damalige Ministrantin wusste sofort: „So möchte ich eines Tages auch sein! Von mir sollen die Menschen mal sagen: Mit Kirche habe ich zwar nicht viel am Hut, aber die ist cool, die steckt mich mit ihrer Begeisterung an!“Theologiestudium
Wer Pastoralreferent/in werden will, muss zunächst Theologie studieren. In zehn Semestern werden die jungen Erwachsenen gemeinsam mit den Priesteramtskandidaten in die Geheimnisse der biblischen, historischen, systematischen und praktischen Theologie eingeführt. Um optimal auf das vielfältige Aufgabengebiet vorbereitet zu sein, tritt zur universitären Ausbildung eine studienbegleitende praktische Ausbildung im „Zentrum für Theologiestudierende und zukünftige PastoralreferentInnen“, von Insidern nur „Zentrum“ genannt. „Durch Praktika, Teilnahme an geistlichen Gruppen, Stimmbildung, Werkwochen oder Kommunikationstraining erwerben die jungen Leute wichtige Qualifikationen für das Berufsleben, treffen auf Ansprechpartner und Gleichgesinnte“, berichtet Andrea Schoknecht; als Ausbildungsleiterin ist sie für die Organisation und Durchführung der Veranstaltungen sowie die Beurteilung der Studierenden zuständig. Doch das Zentrum dient nicht nur der Ausbildung, sondern ist auch ein „Ort des gemeinsamen Glaubens und der Spiritualität, an dem die Theorie praktisch gelebt wird“, so Schoknecht. Bei den Gruppentreffen, durch Einzelgespräche und geistliche Begleitung bekommen die Studierenden Möglichkeiten zum Auftanken und zum persönlichen und geistlichen Wachstum.Achtsamkeit
„Sie sollen Achtsamkeit für sich selbst entwickeln, damit sie den roten Faden Gottes in ihrem Leben entdecken und der Glaube Wurzeln fasst“, verdeutlicht Gabriele Saft, die seit September als Mentorin im Zentrum tätig ist. Was viele nicht wissen: Auch ein Mathematikstudent kann geistliche Begleitung in Anspruch nehmen, und „dazu muss er keineswegs in einer Krise stecken“, so Saft. 37 junge Erwachsene aus zehn Semestern bereiten sich momentan im Zentrum auf den Beruf des Pastoralreferenten vor. Acht davon haben sich im vergangenen Herbst neu eingeschrieben. Verglichen mit 30 Erstsemestern in den 1980er Jahren scheint das wenig. „Doch angesichts der aktuellen Situation stehen wir recht gut da“, relativiert Andrea Schoknecht und verweist stolz auf „ihre“ Studierenden.Dass der Weg zum Traumberuf nicht immer leicht ist, bekommen die jungen Theologen häufiger zu spüren. „Du stinkst nach Weihrauch“, wurde Lucia schon auf einer Party angesprochen. Die junge Frau reagierte verärgert: „Warum darf ich als Theologiestudentin nicht auf Partys gehen? Glaube bekommt hier einen Stempel, der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.“ Zudem müsse man als gläubiger Christ nicht mit allem einverstanden sein, fügt Leandra hinzu: „Wir bekommen ja schließlich keinen Katechismus in die Hand gedrückt, sondern bilden uns als universitäre Studenten eine fundierte Meinung.“ Für Felix liegt im Unverständnis sogar eine große Chance: „Glaube verwurzelt sich erst durch Irritation“, sagt er und führt reihenweise Szenen aus dem Alten und Neuen Testament an, die vom Aufrütteln durch Irritation erzählen. Auch Momente des Zweifels gehören zum Leben eines Theologiestudenten. „Zweifel sorgen dafür, dass ich mich weiterentwickle, sie machen meinen Glauben stärker“, sagt Leandra. Stärkend wirke zudem die „familiäre Atmosphäre, die es in keinem anderen Studiengang gibt“, betont Franziska Reichert. Die junge Frau hatte zunächst ein Biologie-Studium abgeschlossen. Mit 286 anderen Studenten im ersten Semester sei sie sich wie eine Nummer vorgekommen.